Sabine Berr

Sabine Berr: Das grüne Volk

 

Angesichts der Monotonie der deutschen Landschaften mit ihren angelegten Feldern, präzise aufgeteilten, landwirtschaftlich bewirtschafteten Flächen, kahl rasierten Feldrändern und selbst der Wald, einst der ganze Stolz der deutschen romantischen Seele, größtenteils zum Nutzwald  umfunktioniert, erscheint das Werk von Sabine Berr von erfrischender Lebendigkeit. Und gleicht doch auch einer Erinnerung an ferne Kindheitstage, auf der Wiese liegend, die Gräser und Insekten bestaunend, in ihrer Vielfalt und Eigenartigkeit.

Die auf den ersten Blick ein wenig kindlich anmutende Idee, all diese Pflanzen aufs Papier zu bringen, ihre individuelle Gestalten und Eigenheiten mithilfe der Zeichnung oder Malerei zu erforschen, bekommt jedoch in der heutigen Zeit noch die zusätzliche Dimension der unwiederbringlichen Vergänglichkeit. Die rote Liste der Pflanzen und Insekten die vom Aussterben bedroht oder bereits schon ausgestorben sind, wird bald länger sein als die grüne Liste der Pflanzen, die es heute noch gibt  und von denen die meisten von uns die Namen nicht mehr benennen können. Das Bewusstsein der Menschen hat sich in diesem, vom technischen Fortschritt dominierten Zeitalter anderen, ihm wichtiger erscheinenden Dingen zugewendet.

Dieser Drang, die Pflanzenwelt künstlerisch darzustellen und hervorzuheben, könnte fast schon antiquiert erscheinenen und eher im vorigen Jahrhundert verortet werden, wäre da nicht diese bedrohlich wirkende aktuelle Situation, die unsere Umwelt langsam aber sicher so verändern wird, dass wir sie noch in diesem Jahrhundert nicht mehr wiedererkennen werden, wenn es uns nicht gelingt diese Entwicklung aufzuhalten.  Tatsächlich gab es vor circa 100 Jahren eine Ähnliche Bewegung, als sich die Künstler damals entschlossen aus den muffigen Salons aufzubrechen und die freie Natur künstlerisch neu zu entdecken, wobei sie dafür von der etablierten Kunst Szene belächelt oder beschimpft wurden, letztendlich aber einen wichtigenWeg für ein neues Bewusstsein der Wahrnehmung wiesen.

Auch heute, wo der Mensch durch die beschleunigte Entwicklung der Technik dabei ist die Verbindung zur Natur zu verlieren, wird ein neues Bewusstsein immer notwendiger. Diese oft schon gehörten Gedanken, scheinen nicht viel zu bewirken, ein Umdenken lässt noch immer auf sich warten.

Der Versuch von S. Berr durch den poetisch künstlerischen Blick sich diesem Thema zu widmen, vermag vielleicht eher als der erhobenen Zeigefinger  das Innere des Menschen zu berühren, die Schönheit und Mystik der uns umgebenden Welt mit wacheren Augen zu sehen oder den Wunsch zu wecken, etwas zu unternehmen damit sie nicht ganz verschwindet. Die  Idee, direkt und unmittelbar vor der eigenen Haustür, in der allernächsten Umgebung aufmerksam zu werden, mit künstlerischen Mitteln nach den eigenen Wurzeln zu suchen entstand aus dem Bedürfnis heraus, die Entfremdung des modernen Menschen in Bezug zur Natur und zum eigenen Lebensraum konstruktiv zu thematisieren.

Durch eine subtile Maltechnik und ausgesprochen differnzierte Verwendung von Ölfarbe gelingt es Sabine Berr das innere Wesen der Pflanzen durch ihre äussere Hülle hindurch scheinen zu lassen.

Die Pflanzen scheinen miteinander zu kommunizieren, wobei die Interpretation dem Betrachter überlassen bleibt.

Mai, 2018, Katrin Siebeck

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